Es ist wieder Februar. Die blöden Krücken bin ich immer noch nicht komplett los. Immer wieder gibt es kurze Phasen, wo ich ohne Krücken nur mit Schmerzen auf das rechte Bein auftreten kann. Einen medizinischen Grund dafür haben wir nicht gefunden. 

Die Fraktur liegt nun genau 1 Jahr und 2 Tage zurück (zur Erinnerung, es geschah am 10.2.2009). Draußen ist es kalt und glatt. Etwas Schnee liegt im Hof. Ich wollte kein Risiko eingehen und bin daher bewusst nicht ins Freie gegangen. 

Aber wir alle wissen ja, je sorgfältiger man plant, umso heftiger trifft einen der Zufall. 

Es ist nun also Freitag, der 12.2.2010. In der Hoffnung, dass sich jemand erbarmt und den Müll mit nach draußen nimmt, wollte ich die Tüte an die Haustüre hängen. Eine kleine Wasserpfütze hatte sich im Flur gesammelt, genau so groß, wie der Fuß meiner Krücke. Und genau diese Pfütze habe ich mit der Krücke getroffen. Die Krücke rutschte schwungvoll weg und ich hinterher. Und habe mir dabei mit der Metallplatte im Oberschenkel diesen am oberen Ende der Platte glatt durchgeschnitten. Da stand ich nun in meinem Elend. Den Schrei, den ich vor Schreck losgelassen hatte, wird unsere Mitarbeiterin wahrscheinlich nie wieder vergessen. Bis der Notarzt kam, war ich schon wieder in der Lage, zu organisieren, wer mir schnell ein Köfferchen fürs Krankenhaus richtet und wem ich meine Büroarbeit übergeben kann. 

Auf die Schnelle übers Wochenende konnte das Krankenhaus keine Metallplatte für meine langen Beine auftreiben, also wurde auf die alte Platte eine "Verlängerung" im Huckepackverfahren (Pick-Up Osteosynthese) aufgesetzt. 

Ich mutiere zum "Blechmännchen".

Der Chefarzt grinste mich bei der Visite nur an, und meinte, ich kenne die Vorgehensweise ja schon. "Ja" sagte ich, "alles wie gehabt, ich weiß Bescheid."

Nach einigen Tagen Krankenhaus durfte ich nun wieder mal nach Hause.

Diesmal war ich natürlich viel schneller wieder auf den Beinen, es stand ja keine kräftezehrende Chemotherapie mehr an.

Und bis auf eine ganz leichte Gehbehinderung durfte ich das restliche Jahr wie ein völlig gesunder Mensch erleben. Alle Blutwerte waren im Normbereich, die Spenderzellen machten ihre Arbeit gut. 

Eine komplette Remission erreichten sie allerdings auch nicht. Der Krebs schläft also mal wieder.

 

Im Oktober dachte ich dann, nun ist es an der Zeit, ein Dankesschreiben an den unbekannten Stammzellspender zu verfassen. Wenn die 2-jährige Frist um ist, würde ich ihn sehr gerne kennen lernen.

Ich hatte den Brief per Post an den Koordinator für Stammzeltransplantationen in Heidelberg geschickt, aber nie eine Antwort bekommen. 

Ob da auf dem Postweg etwas schief gelaufen ist, ob der Brief irgendwo verloren gegangen ist oder ob mein Spender einfach keine Lust oder Möglichkeit hat, mich irgendwann kennen zu lernen, ich habe es nicht erfahren.

Ich nahm mir vor, nach Ablauf der 2 Jahre nochmal zu schreiben und den Brief dann persönlich in Heidelberg abzugeben.